Wann sind Anleihen Aktien überlegen?
Wie ich in „Wer, wie, was – wieso, weshalb, warum – wernicht fragt, bleibt dumm?“ festgehalten habe, gibt es drei Basis-Anlageformen. Ein großes Vermögen als Value Investor aufzubauen, wie zum Beispiel Warren Buffett, erreicht man normalerweise über Beteiligungen am Eigenkapital. Trotzdem gibt es manchmal außergewöhnliche Zeiten, in denen Anlagen in anderen Kapitalformen vorzuziehen sind. Diese Zeiten sind normalerweise kurz und müssen höhere Gewinne versprechen, als eine Unternehmensbeteiligung.
Der Grund liegt in dem Verhältnis von Fremd- und Eigenkapital. Wenn eine Unternehmung versucht ihre Eigenkapitalrendite durch die Aufnahme von Fremdkapital zu hebeln (financial leverage), funktioniert dies nur solange, die Gesamtrendite grösser der Fremdkapitalkosten (bzw. der Fremdkapitalgeberrendite) ist. Das heißt, im natürlichen Zustand muss die Rendite von festverzinslichen Wertpapieren kleiner der Rendite von Eigenkapitalgebern sein. Dies wird auch unterstützt von dem ersten Grundsatz der Kapitalanlage: Rendite und Risiko stehen in einer positiven Beziehung zueinander. Gewinnschwankungen und Verluste werden vom Eigenkapital aufgenommen und abgefedert, bevor sie das Fremdkapital angreifen.
Welche Kriterien sollte man beim Kauf von Anleihen anwenden?
Grundsätzlich sollte man aber auch beim Kauf eines festverzinslichen Wertpapiers nach jenen Kriterien vorgehen, die man beim Kauf von Unternehmensbeteiligungen anzuwenden pflegt. Das heißt, man muss sich die Rentabilität, Sicherheit und Liquidität des emittierenden Unternehmens genau ansehen. Allerdings liegt das Hauptaugenmerk bei Kauf einer Anleihe auf der Sicherheit und Liquidität, weniger auf der Rentabilität.
Für den Fremdkapitalgeber ist entscheidend, dass genügend Cash-Flow generiert wird, um seine Ansprüche zu decken. Ob das Unternehmen zusätzlich Geld erwirtschaftet oder nicht, spielt für ihn keine Rolle. Anleihen haben von sich selbst aus ein beschränktes Wachstumspotenzial, da die Verzinsung und die nominale Rückzahlung von vornherein fixiert sind.
Aus diesem Grund sind Unternehmen, die stetige und hohe Cash-Flows genieren, die beste Wahl. Zu ihnen gehören Unternehmen des täglichen Gebrauchs, wie Telekommunikation, Energie oder Konsumgüter. Staaten erfüllen zwar auch die Kriterien des stetigen und hohen Cash-Flows, allerdings ist die Pflicht/Gnade der Zins- und Rückzahlung ein reiner politischer Wille. Aus diesem Grund sind meiner Meinung nach Unternehmensanleihen den Staatsanleihen vorzuziehen. Dies gilt insbesondere für unsichere Zeiten, die oft die einzige rentable Möglichkeit in festverzinsliche Wertpapiere zu investieren, darstellen.
Wie sieht der Markt in ruhigen Zeiten aus?
In ruhigen Zeiten schwankt ein Anleihenkurs ziemlich eng um seinen nominal Wert (100 %), beeinflusst allein von den Schwankungen des allgemeinen Zinssatzes. Dies ist das Hauptargument für die Sicherheit von Anleihen innerhalb der allgemein verbreiteten Finanzmarkttheorie.
Nach meiner Meinung sind Kursschwankungen allerdings kein guter Indikator für das Risiko oder die Sicherheit einer Anlage. Große Verwerfungen bei Anleihen gibt es immer nur dann, wenn tatsächliches Ausfallrisiko wahrgenommen wird. Dieses hängt, wie bei Aktien, vom Produkt, der Strategie, den Mitarbeitern, dem Standort, der Struktur, dem Management usw. des Unternehmens ab.
Allerdings ist mir schon mehrmals aufgefallen, dass im Falle eines erhöhten Ausfallrisikos der Kursverfall von Anleihen stark übertreibt, dies hab ich bei der Insolvenz von General Motors und zuletzt beim Kauf der Praktiker-Anleihe 02/16 genutzt. Hierbei hab ich grundsätzlich das Risiko/die Sicherheit in Form einer Liquidierungsrechnung durchgeführt und die Chance/Rentabilität in Form des maximal zu erwartenden Gewinns.
Meine Liquidierungsrechnung aus der Bilanz für Praktiker lautet wie folgt:
Aktiva:
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Bezeichnung
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Bilanzierter Wert
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Recovery-Rate
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Recovery-Wert
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Cash
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190 Mio.
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100 %
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190 Mio.
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Sachanlagen
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400 Mio.
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25 %
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100 Mio.
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Vorräte
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800 Mio.
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25 %
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200 Mio.
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Forderungen
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130 Mio.
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50 %
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65 Mio.
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Aktiva total
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555 Mio.
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Passiva:
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Bezeichnung
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Bilanzierter Wert
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Recovery-Rate
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Recovery-Wert
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Verbindlichkeiten
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1’300 Mio.
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42,7 % |
555 Mio. |
Eigenkapital
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480 Mio.
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0 &
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0 Mio.
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Die Sicherheit für das eingesetzte Kapital ist also ab einem Anleihen Kurs von kleiner 42,7% gegeben, unabhängig von der Volatilität des Kurses.
Chancen/Rendite-Verhältnis bei einer Schrottanleihe
Die zweite Frage ist die Chance/Rendite, die sich aus einem Kauf der Anleihe zum Kurs von 42,7 % ergibt. Prinzipiell muss man hier zwei Größen unterscheiden den aktuellen Zinssatz und die Gesamtrendite. Der aktuelle Zinssatz ergibt sich aus Kupon/Marktwert (5,875/42,7 = 13,76 %). Er stellt die Rendite dar, wenn Praktiker zwar weiterhin Zinszahlungen tätigen kann, aber keine Anschlussfinanzierung zur Rückzahlung der Anleihen bekommt.
Die Gesamtrendite lässt sich mithilfe des internen Zinsfusses bestimmten und beträgt 34,21 %. Sie stellt die maximal mögliche jährliche Rendite dar, wenn Praktiker keinen Zahlungsausfall aufweist. Bei einem Kurs von 42,70 Euro bedeutet das ein Gesamtgewinn von 14,61 Euro pro Anteilsschein.
Ein Unternehmen mit einem KGV von acht bis zehn, welches einen Gewinn nach Steuern von 14,61 Euro pro Aktie erwirtschaftet, müsste 116 bis 146 Euro pro Anteilschein wert sein. Das ist das Dreifache der Summe, die ich für die Praktiker Anleihe gezahlt habe, allerdings mit der Einschränkung, dass ich mir nicht sicher bin, ob das Investment tatsächlich die Rendite abwirft. Allerdings denke ich, dass eine solche Anleihenkonstellation eine bessere Gewinnchance eröffnet, als ich mit anderen Geschäftsvorhaben wahrnehmen könnte.
Fazit
Der Kauf von Anleihen zählt weder zu meinen favorisierten Anlageformen, noch erzielt man damit langfristig die höchsten Gewinne. Sie bieten aber die Möglichkeit, Vermögenswerte kurzfristig gewinnbringend zu parken, wenn man sichere Unternehmen mit Gütern des täglichen Gebrauchs wählt. Gleichzeitig kann man auf die Chance warten, das richtige Unternehmen zu kaufen und eine langfristige Aktienbeteiligung einzugehen. Eine Ausnahme liegt dann vor, wenn der Markt aus besonderen Gründen eine Gelegenheit bietet, mit der eine angemessene Rendite bei akzeptablem Risiko zu erzielen ist.
Weiter Information zur Praktiker Anleihe: