Die Eurokrise, alles eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit?
Was ist die Ursache der Eurokrise? In einem kurzen Statement versuche ich mich einer Möglichkeit zu nähern. Wenn man den Zusammenschluss der EWG als erste Stufe betrachte, die Einführung des Euros als zweite Stufe, dann hätte man vor 10 Jahren den Versuch zur dritten Stufe unternehmen müssen, bei der gesichert wird, dass alle Regionen eine ähnliche Wettbewerbsfähigkeit aufweisen. Dies wurde nicht unternommen.
Seit der Einführung des Euros 1999 gibt es zwischen den teilnehmenden Ländern keine Wechselkurse mehr. Der grosse Vorteil für alle ex- und importierenden Firmen sowie Touristen und Reisende ist, dass das Wechselkursrisiko in Form von Ab- und Aufwertungen seitdem der Vergangenheit angehört. Auf der anderen Seite haben genau diese Wechselkursänderungen in jener Vergangenheit oft dafür gesorgt, dass Länder, die stärkere Lohn- und Preissteigerungen als ihre Handelspartner aufwiesen, die Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen konnten.
Wenn man den Zusammenschluss der EWG als erste Stufe betrachte, die Einführung des Euros als zweite Stufe, dann hätte man vor 10 Jahren den Versuch zur dritten Stufe unternehmen müssen, bei der gesichert wird, dass alle Regionen eine ähnliche Wettbewerbsfähigkeit aufweisen. Dies wurde nicht unternommen, obwohl Volkswirte wie Dr. Heiner Flassbeck (den ich persönlich kennenlernen durfte) darauf hingewiesen haben.
Das Problem liegt im Wettbewerbsungleichgewicht
Laut Herrn Dr. Flassbeck (Gespräch vom 22.10.2012) liegt das Problem nicht in erster Linie in der fehlenden Fiskalpolitik oder einer Überschuldung, sondern in einer fehlgeleiteten Lohnpolitik. Ausgehend von Deutschland, welches mit der Agenda 2010 ihren Gürtel enger geschnallt hat und gleichzeitig stetig steigenden Löhnen in Südeuropa, kam es zu einem enormen Wettbewerbsungleichgewicht. Deutschland ist zu billig, Südeuropa ist zu teuer. Nur wenn wir uns das eingestehen, kann der Euro langfristig gelingen.
Problematisch finde ich die Schlussfolgerung vieler deutscher Politiker. Griechenland und Co müssen auf Löhne verzichten, um Wettbewerbsfähigkeit zu gewinnen und zerstören damit ihren Binnenmarkt. Deutschland dagegen, welches unter seinen Verhältnissen lebt und im Vergleich zu seiner Aussenwirtschaft einen schwachen Binnenmarkt hat, erhöht seine Löhne nicht übermässig. Dieses wäre in einer Union die bessere Alternative.
Der Einwand, den man darauf geben kann, ist, dass Europa (Deutschland) dann gegenüber den anderen Regionen der Welt (China) an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Dies ist richtig. Ich stelle mir jedoch die Frage, müssen wir wirklich unser Können und unseren High-End-Produkte zu Dumping-Preisen auf den Weltmarkt schmeissen? Warum hat so ein „kleines“ Land wie Deutschland den weltgrössten Handelsüberschuss? Es gibt zwei Antworten darauf: Appel oder Preisdumping. Apple würde bedeuten, dass die Menschen unsere Produkte bevorzugen, weil „Made in Germany“ draufsteht. Ich gehe eher von Preisdumping aus und meiner Meinung nach müssen wir unsere Produkte nicht am billigsten verkaufen, wenn diese so gut sind, wie viele behaupten.
Als Kapitalist bin ich für Lohnerhöhungen in Deutschland
Ich glaube, dass es Europa und dem sozialen Frieden gut tun würde, wenn in Deutschland die nächsten Lohnerhöhungen über der Inflationsrate liegen würden. Als Kapitalist kann man sich darauf vorbereiten in dem man Unternehmen aus dem Ausland oder binnenmarkt-starke Unternehmen in sein Portfolio legt. Ich bin für eine moderate Anhebung des deutschen Arbeitnehmeranteils am deutschen Volkseinkommen, bis wir in den einzelnen Regionen in Europa einen ausgeglichenen Wettbewerb haben. Ich glaube, dass es auf europäischer Ebene und langfristig für den Grossteil der Europäer gut ist, da es den Auslöser der Euroschuldenkrise beseitigt.
Wer ein wenig Zeit hat dem empfehle ich folgendes Video:
[quote] Im dritten Punkt muss ich die widersprechen. Es geht bei Flassbeck um das Preis/Leistungsverhältnis, welches zu günstig ist, nicht um absolute Werte. [/quote] Ich kenne jetzt nur das von ihm im Video gesagte genauer und da sagt er, dass wir nicht verkaufen weil wir besser sind, sondern weil der Mercedes nicht nur besser, sondern auch billiger ist. Mag sein, dass ich entweder ich der deutschen Sprache nicht völlig mächtig bin, oder er. Vermutlich will er damit einfach zuspitzen und merkt nicht, dass er sich dabei angreifbar macht. [quote] Dann stimmst du mit mir wahrscheinlich überein, dass die Arbeit in Deutschland immer absolut teuerer war als in Griechenland? [/quote] Mit dem Begriff immer wär ich vorsichtig ;). Aber sagen wir mal, in den letzten paar Jahrzehnten war das sicherlich so. Wenn ich mir die globale Entwicklung so anschaue, dann haben nicht wir im globalen Wettbewert nennenswert Dumping betrieben, sondern andre Teile der Eurozone (oder auch die USA) haben Lohnwucher (gemessen an der jeweiligen Produktivität) betrieben. Ist aber wohl eine Frage des Blickwinkels. Wir sollten aber nicht den Fehler machen, als Europa zu sehr im eigenen Saft zu braten, und die externe Konkurrenz aus den Augen zu lassen. Das aber bitte nicht falschverstehen. Ich hab nix gegen steigende Löhne. Nur sind sie nicht das Allheilmittel, wie Flaßbeck es predigt… [quote] Punkt 4 & 5 stimme ich dir wieder zu, wobei es auch Statistiken gibt, die nur Innerdeutsch sind und zeigen, dass es eine Veränderung des Nationaleinkommens von der Arbeit zum Kapital gegeben hat. [/quote] Passiert periodisch immer wieder, wenn du dir die Statistiken der letzten 200 Jahre anguckst. Langfristig gilt etwa 2/3 für Arbeit, 1/3 fürs Kapital, und um diese Werte schwankt das ganze in relativ langdauernden Zyklen (einmal rauf und einmal runter dauert ca. 60 Jahre). [quote] Zu Punkt 7 habe ich keine Ahnung. [/quote] Deutschland hat diese Phase zweimal durchlaufen. Einmal im 19.Jahrhundert als man mit Billigstlöhnen für schlesische Handweber, den Engländern mit ihren teuren Maschinen Konkurrenz gemacht hat, und ein zweites Mal auf höherem Niveau ab 1948 als man mit Unmengen z.B. technischem Know-How bestückt, aber im Verhältnis dazu sehr niedrigen Einkommen, das zweite Mal einen rasanten Aufstieg hinlegte. Bei den restlichen Punkten stimme ich dir weitgehend zu.[/quote]
Super Kommentar 🙂 Ich stimmte dir zu, habe aber auch ein paar Kritikpunkte, bei denen ich eher auf Herrn Flassbecks Seite bin: Deinen ersten und zweiten Kritikpunkt halte ich für absolut legitim. Die Staatsschulden stammen nicht aus der Bankenrettung sondern in erster Linie aus jahrzehntelanger Misswirtschaft des Staates und Wählerbestechungen. Ich denke ebenfalls auch nicht, dass der Zinssatz von Staatsanleihen allzu viel über die Bonität aussagt. Auch nicht innerhalb der Eurozone. Die EZB betreibt Zinspolitik für Italien, Spanien und Griechenland. Sicherlich nicht im gleichen Ausmass wie die FED oder japanische Notenbank, aber trotzdem mit Einfluss. Im dritten Punkt muss ich die widersprechen. Es geht bei Flassbeck um das Preis/Leistungsverhältnis, welches zu günstig ist, nicht um absolute Werte. Wenn wir erst einmal nicht von den Produkten reden, sonder von den Lohnkosten. Dann stimmst du mit mir wahrscheinlich überein, dass die Arbeit in Deutschland immer absolut teuerer war als in Griechenland? Gleichzeitig würdest du mir wahrscheinlich auch zustimmen, dass die Arbeit in Griechenland und wahrscheinlich den meisten anderen Staaten in Europa vor der Krise relativ zu teuer war im Verhältnis zu Deutschland? Wenn du beides mit Ja beantwortest und zusätzlich sagst, dass ein signifikanter Teil der Produktkosten die Lohnkosten sind, dann haben wir seit der Euroeinführung Preisdumping gegenüber unseren Euro-Nachbarn betrieben. Hätten wir flexible Wechselkurse, wäre dieses Preisdumping durch Währungssteigerungen aufgehoben worden. Punkt 4 & 5 stimme ich dir wieder zu, wobei es auch Statistiken gibt, die nur Innerdeutsch sind und zeigen, dass es eine Veränderung des Nationaleinkommens von der Arbeit zum Kapital gegeben hat. Punkt 6 sollte man sich halt fragen, ob man Deutschland so allein betrachten kann oder nicht? Ich stimme dir zu, dass Deutschland auch andere Konkurrenten hat, wobei ich mir schwer tue, bei Ländern von Konkurrenten zu sprechen. Wir können ja nicht mehr aus der Welt machen, das heisst, wenn wir an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen, verliert ein anderes Land, dieses Land kann aber nicht wie ein Unternehmen vom Markt verschwinden, das wiederum heisst, man sollte nur in einen Wettbewerb treten, die die Menschheit voranbringt. Zb Wissenswettbewerb oder Strukturwettbewerb, aber nicht in einen Wettbewerb, der durch Finanzinterventionen, wie es Lohnzurückhaltung in Kombination mit den Euro für Deutschland ist oder auch Japan gerne betreibt. Zu Punkt 7 habe ich keine Ahnung. Bei den restlichen Punkten stimme ich dir weitgehend zu.
Hab mir den Unfug jetzt wirklich mal zur Gänze gegeben und ein bisschen Notizen gemacht. 1.Fehler: Die Staatsschulden stammen nicht wie von ihm behauptet in erster Linie aus den Bankenrettungen. Ein Blick in die Struktur und Entwicklung der Staatsverschuldungen zeigt, dass in erster Linie ständig überzogenes Konsumausgabenniveaus im Zusammenhang mit Wählerbestechung die Ursachen sind, mit einer einzigen Ausnahme und das ist Irland. 2.Fehler: Zinsniveaus einzelner Schulden sind immer nur aussagekräftig in Form von Spreads zum Referenzschuldner, das ist meist derjenige, der an der Druckerpresse sitzt. Deshalb können sich der amerikanische oder japanische Staat, die Zinsen auf die eigenen Anleihen defacto nach Belieben selber festlegen. Notfalls kauft einfach die Notenbank solange, bis das gewünschte Niveau erreicht (die USA haben das beispielsweise in den 1940ern ganz hochoffiziell gemacht). Deswegen sagen die Zinssätze verschiedener Regierungen in unterschiedlichen Währungen überhaupt nichts über deren Bonität aus. 3.Fehler: Er widerspricht sich selbst, wenn er erst das Lohn/Produktivitätsverhältnis als entscheidend ansieht und anschließen behauptet der Mercedes sei billiger als der Peugeot. Der Mercedes ist im Preis/Leistungsverhältnis günstiger aber nicht absolut. 4. Hartz 4 hat die Arbeitslosigkeit abgesenkt, indem die Empfänger einen Teil im Niedriglohnsektor erwirtschaften. Darüber hinaus hatte es allerdings auch einen Mehrbeschäftigungseffekt über die Lohnstagnation. 5. Der Vergleich der Unternehmensgewinne und der Arbeitseinkommen greift zu kurz. Denn deutsche Unternehmer haben auch Gewinne, die von ausländischen Tochterunternehmen von ausländischen Arbeitern im Ausland erwirtschaftet werden. Letztlich besagt die Veränderung also nur, dass Kapital exportiert wurde. 6. Auch wenn er das flapsig abtut. Deutschland hat noch andre Konkurrenz auf dem Weltmarkt als die Euroländer. Die Eurozone ist keine geschlossene Volkswirtschaft. 7. Das Wirtschaftswunder beruhte im Wesentlichen auf deutschem Lohndumping, also der Tatsache, dass in Deutschland nach dem Krieg die EInkommen gemessen an der Produktivität weit niedriger waren, als in den übrigen Industrieländern. Diese Schere schloss sich im Verlauf der 50er und 60er Jahre 8. Der Staat investiert nicht, er konsumiert mehr als 100% seiner Ausgaben. Seit Anfang der 70er tätigt er in D nicht mal mehr ausreichend Ersatzinvestitionen. 9. Sparen muss man nicht unbedingt, wie er es propagiert in Kreditinstrumenten. Er hat allerdings Recht, dass Schulden per se nix schlechtes sind. Sie sind schlecht, wenn sie für konsumptive und nicht investive Zwecke verwendet werden. Der Staat nimmt aber fast ausschließlich für konsumptive Zwecke Kredite auf. Die Lösung wäre eine Ende des staatlich erzwungenen (Basel, Solvency) Sparens in Kreditinstrumenten. Dann sorgen die bösen Märkte ganz von allein dafür, dass sich keine zu großen Differenzen auftun. 10. Außer in der Eurozone, denn da gibts noch den Zwangskredit, denn sich jede Regierung von ihrer nationalen Notenbank zulasten des Kollektivs aus der Druckerpresse holen kann. Aber das ist ein andres Thema… Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit
Irgendwie erinnert mich der Mann an Lafontaine. Zufall? Rhetorik griffig und mit scheinbar zwingender Logik. Bei näherem Betrachten aus meiner Sicht dann aber mit erheblichen Löchern. Dadurch wird die Argumentation für mich in Frage gestellt. Einen guten Teil seines Logikweges gehe ich ja mit. Z.B. fand ich den Hinweis zur unterschiedlichen Lohnstückkostenentwicklung in den Eurozonenländern sehr wichtig. Klar, dass das die Wettbewerbsfähigkeit massiv verändert. Überzeugend also für mich bzw. seit jeher selbstverständlich, dass sich die Lohnstückkosten innerhalb einer Währungszone angleichen müssen – fragt sich halt nur in welchem Ausmaß bei wem. Innerhalb der Eurozone als Insel wären wir da ja noch frei. Unterschlagen hat er aber weitgehend die grob geschätzten 50% Eurozonenaussenhandel aller Länder der Eurozone. Die hat er auf den Wettbewerb D gegen Rest der Eurozone verkürzt. Das aber scheint mir keineswegs zulässig. Nach seiner Aussage ist die gesunkene Arbeitslosenquote im D in den letzten 10 Jahren auf den Exportanstieg zurückzuführen – da gehe ich weitgehend mit. Ich würde noch die Schaffung neuer Jobs am unteren Ende der Lohnkurve ergänzen. Jobs, die es nur gibt, weil sie schlecht bezahlt werden dürfen, ansonsten fällt nämlich auch die Nachfrage in D und damit die Arbeitsplatzschaffung schlicht aus. SPD/Schröder Agenda 2010 sei Dank – nicht ironisch gemeint. Ich finde es zwar nicht toll, aber mir sind schlecht bezahlte Aufstocker alle Mal lieber als nicht bezahlte Sozialhilfeempfänger. Wenn der Zusammenhang Exportquote / Arbeitslosenquote stimmt – und das scheint mir überzeugend – dann bedeutet das aber im Umkehrschluß auch wieder einen Anstieg der Arbeitslosenquote, sobald die Exporte sinken. Und zwar ein Anstieg der Arbeitslosigkeit genau bei den am wenigsten wettbewerbsfähigen Teilen der Bevölkerung. Also mehr soziale Spaltung. Das ist doch gerade ein ganz hochgeredetes Thema. Mir scheint die Lösung der Euroschuldenkrise also durchaus u.a. in einer Angleichung der Lohnstückkosten zu liegen. Allerdings auf einem Niveau, dass die Eurozone als ganzes gegenüber dem Rest der Welt wettbewerbsfähig läßt bzw. macht. Moderate Anpassung also ja, fragt sich nur, wo das richtige Mass liegt.