Oktober 22: Ein Kommentar zum letzten Monat

Anmerkung des Autors: Diesen Text habe ich in erster Linie zur Einordnung für mich selbst geschrieben. Ich freue mich über jede Rückmeldung von Ihnen, die mir hilft, die aktuelle Situation besser zu verstehen.

Der Herbst hat begonnen und mit ihm die kalte Jahreszeit, die uns energietechnisch zeigen wird, wo wir stehen. Der September war ein schwieriger Monat, der zweit schlechteste dieses Jahr.

Börsenentwicklung

Insgesamt bin ich nicht zufrieden mit der Entwicklung in diesem Jahr. Die Entwicklung der letzten neun Monate war schmerzhaft für mich. Mental bin ich auf diese Zeit vorbereitet, trotzdem ist es nicht einfach. Es gibt viele beunruhigende Entwicklungen: die höchsten Inflationsraten seit Jahrzehnten, aggressive Zentralbanken, die die Zinssätze schnell erhöhen, die Klimaerwärmung und damit verbunden die Energiekrise verstärkt noch durch Russlands Invasion in die Ukraine. Nichtsdestotrotz gehört diese Entwicklung zu einer freien Marktwirtschaft und der Börse dazu. Die negative Entwicklung, wenn auch schmerzhaft, ist noch im Rahmen eines Bärenmarktes mit z.B. dem S&P -20%; DAX -24%; NASDAQ -35% und SDAX -36%.

Im Aktienmarkt kommen Rückschläge von über -30% regelmäßig vor und bei konzentrierten Portfolien und Einzelaktien sind auch Rückschläge von über -40% keine Seltenheit. Trotzdem steht uns auch für den Rest des Jahres eine hohe Unsicherheit bevor, wenn auch mit jedem Tag im Winter zumindest die Energieunsicherheit für Europa abnimmt.

So denke ich inzwischen, dass mit den aktuellen Füllständen, den sichtbaren Einsparung in der Industrie und den alternativen Lieferungen der Winter 2022/23 für Deutschland und Europa kein Problem (hinsichtlich Abschaltung) mehr darstellen wird.

Gas-Lage in Deutschland: meine Einschätzung

Ich gehe von einem einfachen Dreisatz aus: 1. Was haben/bekommen wir an Gas. 2. Was verbrauchen wir an Gas im Winter. 3. Die Differenz stellt die nötige Einsparung dar.

Bei einem 90% gefüllten Speicher haben wir eine Kapazität von ca. 210 TWh. Dazu haben wir ein Zufluss aus Norwegen, Belgien und den Niederlanden von ca. 2,8 TWh pro Tag. Der durchschnittliche Verbrauch in Deutschland (inkl. Export) im Winter (Nov.-Mär.) lag bei 656 TWh. In dieser Zeit bekommen wir ohne Russland 438 TWh Gas geliefert. Die Differenz von 218 TWh entspricht ungefähr unserer Speicherkapazität. Wir würde also ohne Einsparrungen durch einen normalen Winter kommen.

Der Winter mit dem höchsten Verbrauch der letzten 20 Jahre lag bei 862 TWh. Bei gleichen Annahmen würde eine Lücke von 217 TWh entstehen, was ungefähr Einsparungen von 25% nach sich ziehen würde. Dies bezieht aber nicht ein, dass wir je nach Betrachtungszeitraum in der Industrie bereits 5% (ca. 20% innerhalb der Industrie) vom Starkwinterverbrauch einsparen und wir den Gas-Anteil am Strommix zurückfahren können. Hier liegt das Einsparungspotenzial mit rund 1% (-30% vom Winterstromgasverbrauch) nicht allzu hoch. Und wenn zwei der fünf schwimmenden LNG-Terminals (Wilhelmshaven und Brunsbüttel) bis Ende Januar (geplant Anfang Januar) fertiggestellt werden, wären das auch nochmal 20 TWh (rund 2% vom kalten Winter). Die Anzeichen sind übrigens, dass die Terminals schon vor Ende Januar laufen. Das heißt in einem arschkalten Winter müssen wir „nur“ 17% Gas einsparen. Dies bedeutet eine durchschnittliche Raumtemperatur von 17-18° bei gleichbleibendem Heizverhalten, ohne dass wir irgendetwas abschalten müssen. In einem durchschnittlichen Winter müssten wir für die Versorgungssicherheit nicht einmal sparen. Für weiter Informationen siehe meine Excel-Berechnungen.

Inflation

Auch wenn die Unsicherheit der Abschaltung weg ist, löst das nicht das Problem der hohen Preise und die Unsicherheit, die dadurch entsteht. Gas-Preis-Bremse hin oder her. Deren Auswirkungen werden wir erst 2023 vollständig sehen und sie werden auch noch Einfluss auf die folgenden Jahre haben. Gleichzeitig sehen wir beim Ölpreis und den Frachtraten für Container-Schiffe bereits seit einiger Zeit Rückgänge, sodass hier die Preise schon wieder auf einem normalen Niveau liegen. Mit diesen gegenläufigen Effekten könnten wir eine Plateau-Bildung bei der Inflation bis zum Frühling sehen. Einen schnellen Rückgang der Inflation sehe ich momentan zumindest in Europa jedoch nicht, da sich die hohen Energiekosten (Hauptinflationstreiber) noch nicht durch die gesamte Wertschöpfungskette gezogen haben und sich jetzt durch die neuen Lohnforderungen weiter Inflationstreiber ergeben.

Bleiben sie warm!