September 22: Ein Kommentar zum letzten Monat
Anmerkung des Autors: Diesen Text habe ich in erster Linie zur Einordnung für mich selbst geschrieben. Ich freue mich über jede Rückmeldung von Ihnen, die mir hilft, die aktuelle Situation besser zu verstehen.
Der Tenor des Sommers zieht sich weiter durch den August: Das Wetter ist heißer und deutlich trockener als in der Vergangenheit und ein Nachrichtensommerloch gibt es nicht.
Grundsätzlich war die Marktentwicklung im August im Rahmen der üblichen Schwankungen, wenn auch wieder mit negativen Vorzeichen. Was außergewöhnlich war, und ich hatte dies schon im vorherigen Newsletter angerissen, ist die Entwicklung der Energiepreise in Europa. Die europäischen Gas- und Strompreise zeigen momentan Kurskapriolen, wie Kryptowährungen – mit dem Unterschied, dass die gesamte Wirtschaft von ihnen abhängig ist.
Im letzten Monat habe ich geschrieben, dass die europäischen Gaspreise ungefähr 7x so hoch sind wie die amerikanischen. Seitdem ist der Preis noch einmal um +50% gestiegen. Das Thema Energiepreise war damit auch das dominierende Thema bei den Hamburger Investoren Tagen, die ich Mitte August besucht habe. Neben den Gesprächen mit diversen Gesellschaften (wie AS Création Tapeten, home24 oder Netfonds) war vor allem der Austausch mit anderen Investierenden interessant.
Kurz zusammengefasst: Panik herrscht bei den Investierenden noch nicht. Und kein Unternehmen hat eine Ahnung, wie der Winter aussehen mag und wieviel man für Energie zahlen muss. Beide Dinge lassen mich zu der Schlussfolgerung kommen, dass wir den Boden wahrscheinlich noch nicht erreicht haben und man das Portfolio so aufstellen sollte, dass man unbeschadet durch eine Energiekrise kommt. Vorsichtig sollte man bei energieintensiven Unternehmen sein und bei Gütern außerhalb des täglichen Bedarfs, z.B. Autohersteller.
Bei meinen Gesprächen hat mich eigentlich am meisten schockiert, dass keiner richtig weiß, wie der Winter aussehen wird. Und ich meine nicht die Investierenden, die in der zweiten Reihe stehen, sondern die Unternehmen, die die Energie primär verbrauchen. Die meisten haben ihre Preise bis Ende des Jahres festgezurrt, aber was danach kommt weiß man nicht und keiner von denen, die ich gefragt habe, traut sich, zu den heute hohen Preisen für das nächste Jahr einzukaufen. Alle konzentrieren sich darauf, wie man den Winter 2022/2023 „überlebt“, die meisten Maßnahmen sind kurzfristig. Implizit scheint jeder zu glauben, dass alle Probleme im Frühjahr 2023 verschwinden werden. Es gibt Gründe, die dafürsprechen, aber es gibt auch Gründe, die dagegensprechen: Dafür spricht z.B., dass man momentan eine hohe Unsicherheit hat, dass man mit dem deutschen Staat einen Akteur hat, dem der Preis egal ist, dass die Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert und dass man die Abhängigkeit von Russland in den nächsten Monaten reduzieren kann. Dagegen spricht, dass man auch nächstes Jahr noch von Russland abhängig sein wird, dass man wieder die Speicher für den Winter 23/24 füllen muss und dass man mit der Klimaerwärmung den europäischen Kraftwerkspark nicht so nutzen kann, wie ursprünglich geplant.
Im letzten Punkt liegt ein entscheidendes Problem, welches nicht innerhalb einiger Monate zu lösen ist. Neben den hohen Gaspreisen haben wir in Europa damit noch ein zweites gewaltigeres Problem und das sind die hohen Strompreise. Natürlich gilt auch hier, dass diese enorm hohen Börsenpreise nicht vollständig durchschlagen, da die Mehrheit der Energie in langfristigen Verträgen bereits verkauft wurde. Aber wer heute absichern möchte oder dessen Vertrag ausläuft, muss sich am sogenannten Spot-Markt zu den Preisen eindecken. Neben dem Russland-Ukraine-Krieg, der die sogenannte Brückentechnologie „Gas“ sehr teuer gemacht hat, liegt das Problem in der extremen Trockenheit. Die Wasserkraftwerke in Europa und die französischen Atommeiler produzieren viel weniger als geplant. Letztere wohl auch weil sie während der Covid-Pandemie nicht so gewartet wurden, wie sie hätten sollen.
Eine weitere Beobachtung, die ich gemacht habe, ist, dass viele Unternehmen, aber auch Privatpersonen, noch gar nicht oder nur teilweise von den Preiserhöhungen bei Strom und Gas getroffen wurden. So haben mir mehrere Unternehmensvertreter gesagt, dass die Preise mit einer Verzögerung von 2-3 Monaten weitergegeben werden. D.h. wenn wir eine 2-3-stufige Lieferkette haben, werden sich die Preiskapriolen, die wir heute an den Engeriemärkten sehen, anders als bei Lebensmitteln und Benzin, erst in 4-9 Monaten in der Inflation widerspiegeln. Man kann also davon ausgehen, dass auch 2023 realwirtschaftlich noch ein Krisenjahr sein wird.
Auch die Profis sind selten dauerhaft besser.
Das ist einsehbar beispielsweise in dataroma.com .
Bedenke in diesem Zusammenhang auch die branchenübliche 2/20 Gebührenstruktur die das zuvor schon nur selten Anlageergebnis noch weiter verschlechtert.
Nach Gebühren bei aktiv gemanagtem Fonds bin ich bei dir. Allerdings würde ich auch sagen, dass die meisten Fondsmanager qualitativ nicht bessere Informationen haben, als alle anderen. Die meisten Fondsmanager auch kein konzentriertes Portfolio (<20 Titel) haben. Bessere Informationen haben Insider und Fondsmanager, die sich sehr intensiv (mehrere Wochen) mit einzelnen Unternehmen auseinander setzen. Dies ist aber bei den meisten Fonds mit 50, 80 oder 100 Titeln im Portfolio kaum möglich. Wenn ein Fondsmanager 100 Unternehmen im Portfolio hat, hat er pro Unternehmen bei 250 Arbeitstagen, 2,5 Tage. Das reicht nicht aus, um besser informiert zu sein, als der Durchschnitt. Bzw. da kann sich jeder Privatanleger genauso lange mit dem Unternehmen beschäftigen.
Informationsparadoxon (Kapitalmarkttheorie)
Das Informationsparadoxon ergibt sich aus der Annahme, daß im Aktienhandel die dem Investor zur Verfügung stehenden Informationen und deren Qualität direkten Einfluss auf seine erzielten Renditen haben. Demgemäß wäre derjenige Investor mit den besten Informationen auch derjenige mit der besten Rendite, derjenige Investor mit den schlechtesten Informationen der mit der niedrigsten Rendite. Paradoxerweise würde jedoch eine durchschnittliche Rendite auch erreicht werden können, enn man gar keine Informationen besitzt, nämlich indem man so viel wie möglich streut. Je größer die Streuung ist, desto größer ist nämlich die Wahrscheinlichkeit, eine Rendite gleich der Durchschnittsrendite zu erzielen. Wenn man zum Beispiel von jedem Unternehmen auf der Welt einen bestimmten, prozentual immer gleichen Anteil kaufen würde, dann würde man mit Sicherheit genau die Durchschnittsrendite erzielen, obwohl man dafür keinerlei marktrelevante Informationen besitzen muss.
Beachte in diesem Zusammenhang ferner die Forschung von Professor Hendrik Bessembinder daß in den USA immerhin jede 25. Aktie einer der gesuchten langfristigen Superaktien ist im Gegensatz zum Rest der Welt wo dies auf nur jede 100. Aktie zutrifft.
Wahrscheinlich daraus läßt sich der Renditevorsprung vom S&P 500 – Index auf Sicht von zwei Dekladen und länger zum USA-lastigen MSCI World – Index erklären sowie zum Schlußlicht MSCI Emerging Markets – Index.
Ja, stimme ich zu: Umso breiter das Portfolio gestreut ist, umso durchschnittlicher wird es.
Gleichzeitig ist es so, dass nach folgenden Studien (https://jpm.pm-research.com/content/46/5/41; https://www.cambridge.org/core/journals/journal-of-financial-and-quantitative-analysis/article/abs/portfolio-concentration-and-the-performance-of-individual-investors/) Portfoliomanager und Haushalte, die sich bewusst auf wenige Aktien konzentrieren bessere Renditen haben, als der Markt. Dies ist zumindest ein Indikator für einen Informationsvorteil. Gleiches gilt meines Wissen für Insider Trading auch, dass zumindest nach Insiderkäufen eine durchschnittliche Überrendite erzielt werden kann.
Der Durchschnittsanleger gewinnt aber über Informationen nix. Er sollte in einen ETF anlegen und nicht versuchten besser zu sein als der Markt.