Unterschied: Aktien und Unternehmen

Viele Menschen glauben, Aktien und Unternehmen seien zwei grundverschiedene Dinge. Das ist ein Irrtum. Wer als Aktionär seine unternehmerische Rolle nicht versteht, lässt sich von den Schwankungen der Börse treiben und verschenkt damit bares Geld.

Aktien sind keine reinen Finanzprodukte

Oft werden Aktien als abstrakte Finanzprodukte wahrgenommen, deren Wert sich nur aus dem Börsenkurs ableitet. Für Value-Investoren ist diese Fehleinschätzung ein Glücksfall, da sie günstige Kaufgelegenheiten schafft.

Doch im Kern ist eine Aktie kein reines Wertpapier, sondern ein Sachwert: ein Anteil an einem realen Unternehmen.

Damit unterscheidet sich eine börsennotierte Beteiligung nicht wesentlich vom Handwerksbetrieb um die Ecke oder der Privatpraxis Ihres Hausarztes. Der Unterschied liegt vor allem im Rahmen: Aktionäre besitzen nur einen Bruchteil des Unternehmens und haften lediglich in Höhe ihrer Einlage, während der Handwerksmeister oder Arzt je nach Rechtsform mit ihrem gesamten Vermögen haften können. Identisch sind aber die zentralen Rechte: Gewinnbeteiligung, Mitspracherecht und Anteil am Liquidationserlös.

Und darin liegt der wahre Wert einer Aktie. Es ist nicht die abstrakte Preisfindung an der Börse, die durch Emotionen und Herdenverhalten stark beeinflusst wird.

Kaufen Sie ein Geschäft bei Ihnen um die Ecke zum Kassenbestand?

Um zu verstehen, welcher Irrsinn an der Börse herrscht, vergessen Sie für einen Moment den Finanzmarkt.

Stellen Sie sich ein lokales Geschäft an einer spärlich befahrenen Nebenstraße vor. Die Eigentümerin betreibt das Geschäft seit Jahren mit einem auskömmlichen Einkommen. Das Geschäft wächst nicht und sollte einmal renoviert werden. Die Eigentümerin ist ein vorsichtiger Mensch. Sie hat den großen Teil ihrer Einnahmen gespart und keine Schulden.

Nun stellen Sie sich vor, dass Geschäft zu betreten und der Besitzerin weniger als das Geld in der Kasse und das Inventar für sein Geschäft zu bieten. Die Besitzerin würde sie zu Recht auslachen. Genau das ist es aber, was an der Börse von Zeit zu Zeit passiert. Die Börse ermöglicht es manchmal Unternehmen für weniger als den Kassenbestand zu kaufen. Ein solches Angebot würde von jedem Unternehmer als Beleidigung aufgefasst werden, egal wie marginal das Geschäft ist. Doch an den Finanzmärkten werden jeden Tag solche Unternehmen (sogenannte Net-Nets) gehandelt. Und das schlimmste daran ist, dass viele Spekulanten und die Finanzwissenschaft es schaffen irgendwie so niedrige Bewertungen zu rechtfertigen.

Psychologie der Börse vs. Disziplin des Investors

Value-Investoren stellen sich bewusst gegen diese Psychologie. Sie nutzen unterbewertete Situationen, um langfristig Gewinne zu erzielen, sei es durch Dividenden oder durch die Auflösung versteckter Werte.

Der Schlüssel liegt in Geduld, Disziplin und starken Nerven.

Über Nacht wird niemand reich. Doch wer konsequent wie ein Unternehmer denkt und handelt, kann mit Aktien seriös und nachhaltig Vermögen aufbauen.

2 Gedanken zu „Unterschied: Aktien und Unternehmen“

  1. Michael C. Kissig

    Sehr gut beschrieben, Till. Viele Leute betrachten Aktien so, als wären sie im Casino und würden auf Rot oder Schwarz setzen: eine beinahe 50:50-Cahnce (es spielen ja die Null bzw. die Bankspesen mit). Und das ist der Segen und der Fluch der Börse zugleich, dass man Aktien jederzeit wieder abstoßen kann. Ich denke, das ist ein wesentlicher Grund, weshalb viele Anleger bei der Auswahl ihrer Aktien eine zu geringe Sorgfalt an den Tag legen – wenn man sich geirrt hat, verkauft man eben wieder und realisert einen Verlust. Und die Karavane zieht weiter. Und die Stopp-Loss-Befürworter stoßen ja auch ins gleiche Horn, was ich für grundlegend falsch halte. Wenn man sich einmal für ein Unternehmen entschieden hat, und sich daran beteiligt, sollte man diese Beteiligung so betrachten, als wäre man Partner in diesem Unternehmen geworden. Der eigene Einstandskurs ist, nachdem man gekauft hat, völlig egal. Man sollte sein Augenmerk danach nur noch auf das Unternehmen und sein Geschäftstätigkeit legen. Gegen den Trend zu investieren, das ist die hohe Kunst, die arren Buffett zum Multimilliardär gemacht hat. Bei steigenden Kursen muss man investiert sein und bei abstürzenden Kursen muss man (nach-) kaufen. So entstehen die großen Börsengewinne und langfristiger Reichtum. Hektisches Hin- und Her bringt nur dem Broker Profit.

  2. Toller Artikel! Leider glauben wirklich zu viele Kleinanleger, dass eine Aktie nur eine Wette auf irgendetwas ist. Das Einzige was eine Aktie eines Unternehmens von einem kleinen Betrieb aus der Nachbarschaft unterscheidet, ist, dass es ständig Kauf- und Verkaufsangebote gibt. Aktien werden immer gehandelt und das zu teils drastisch unterschiedlichen Kursen innerhalb kürzester Zeit. Wenn der Kleinbetrieb auch jeden Tag einen Kaufpreis von verschiedenen Investoren einholen würde, würde er bestimmt auch stark schwankende Angebote bekommen. Als Investor einfach diese Preisschwankungen für sich zu Nutzen und sich nicht von Mr. Market verrückt machen zu lassen, ist die Kunst die eine normale Aktie, dann auch zu einem Anteil an einem normalen Unternehmen macht.

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