Beiträge

Unternehmensanalyse: Prokon Genussrechtsscheine

Unternehmensanalyse: Prokon Genussrechtsscheine

Ein Unternehmen mit kreativer Rechnungslegung?

Wenn man als Value Investor in der U-Bahn auf ein Investment hingewiesen wird, dazu noch ein Flyer im Briefkasten hat und am Abend vor den Nachrichten ein Werbespot über ebendiese Anlage sieht, schliesst man im Normalfall aus, dass es für einen lukrativ ist. Wenn jedoch Freunde und Familie fragen, ob sie in genau dieses investieren sollen, wird meist mehr erwartet als: „Wenn es so einfach wäre, wäre wir alle Millionäre.“ oder „Du würdest doch auch einen Arzt mit Wurf- oder Plakatwerbung nicht deine Gesundheit anvertrauen.“

Also habe ich mir das windige Investment mit Windenergie einmal genauer angesehen und musste über die Bilanzierung fast lachen, wenn nicht Million Euro Erspartes auf dem Spiel stände. So kamen mit eher Träner der Trauer, Wut und Angst und ich hab mich gefragt, wo hier der deutsche Bürokratiestaat mit seinen unendlich vielen Aufsichtsbehörden geblieben ist.

Prokon erstellt nicht regelmässig einen öffentlichen Geschäftsbericht, wie es für börsennotierte Unternehmen selbstverständlich wäre.

Wie Prokon nach einer Anfrage mitteilt, unterliegt die Firma natürlich nicht den Anforderungen des Aktiengesetzes. Bei einer Kapitalisierung durch öffentliche Genussscheine im Umfang eines SDAX-Konzerns wäre dies jedoch wünschenswert. Auf der Homepage von Prokon kann man unter Zahlen, Daten, Fakten als Ausgleich zu einem Geschäftsbericht nach IFRS oder US-GAAP (Rechnungslegungsstandards) so etwas Ähnliches wie einen Einblick in Finanzwelt der Firma bekommen (1).

Leider gibt es weder eine konsolidierte Bilanz noch eine konsolidierte Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Dagegen ist eine Auflistung der einzelnen Geschäftsbereiche mit anschliessender Summierung vorhanden.

Das Problem: Konzerninterne Lieferungen und Leistungen werden nicht verrechnet, was die Ertragslage der Gesamtunternehmung undurchsichtig macht. Das Beunruhigende ist, der grösste Teil (49%) des operativen Ergebnisses stammt aus der Einheit „PROKON Energiesysteme mit ihren Geschäftsbereichen Projektentwicklung, Finanzierung, technische Betriebsführung und kaufmännische Geschäftsführung der Windparks“ (kurz: Energiesysteme).

Im folgenden Teil hab ich mich mit der Zusammenführung dieser Einheit mit dem eigentlich Geschäft „Betrieb der PROKON Windparks“ (kurz: Windparks) auseinandergesetzt. Eine Herausforderung, wenn man keinen vollständigen Zugang zu allen Finanzdaten einer Firma hat, die mit Sicherheit fehlerbehaftet ist.

31.11.2011
Windparks       
Energiesysteme  
SFG: konsolidiert 
SFG: bereinigt    
Umsatz
134.074.683 €
88.785.918 € 
Erträge aus Betrieb der Windenergieanlagen
50.305.575 €
Gesamtleistung der PROKON Energiesysteme
90.905.929 €
davon Erlöse aus dem Stromverkauf
49.207.632 €
49.207.632 €
49.207.632 €
davon Erlöse für sonstige Leistungen
1.097.943 €
1.097.943 €
1.097.943 €
davon Entwicklung/Realisierung von Windparkprojekten
76.365.305 €
76.365.305 €
31.076.540 €
davon Wartung, Service und Reparaturen
6.424.472 €
davon Geschäftsführung
712.348 €
davon Kapitalberatung
7.403.803 €
7.403.803 €
7.403.803 €
Betriebskosten
-55.694.404 €
-55.694.404 € 
Aufwand für Betrieb der Windenergieanlagen
-13.725.620 €
Aufwendungen der PROKON Energiesysteme
-49.105.604 €
davon Reparaturen, Instandhaltung, Service und technische Betriebsführung
-6.424.472 €
davon Versicherungen
-1.905.851 €
-1.905.851 €
-1.905.851 €
davon Pachten
-2.041.722 €
-2.041.722 €
-2.041.722 €
davon Steuerberatung
-83.238 €
-83.238 €
-83.238 €
davon Geschäftsführung
-712.348 €
davon Rückstellungen für den späteren Rückbau
-1.026.340 €
-1.026.340 €
-1.026.340 €
davon sonstige Kosten
-1.531.649 €
-1.531.649 €
-1.531.649 €
davon Materialaufwand (Bau von Windparks)
-19.590.539 €
-19.590.539 €
-19.590.539 €
davon Werbekosten
-18.029.064 €
-18.029.064 €
-18.029.064 €
davon Personalaufwand
-9.302.435 €
-9.302.435 €
-9.302.435 €
davon sonstige Aufwendungen
-2.183.566 €
-2.183.566 €
-2.183.566 €
EBITDA
36.579.955 €
41.800.325 €
78.380.279 €
33.091.514€  
Abschreibungen
-17.967.059 €
-550.998 €
-18.518.057 €
-18.518.057 €
Zinsaufwand für Bankdarlehen
-5.701.729 €
-9.207 €
-5.710.936 €
-5.710.936 €
Steueraufwand
-84.998 €
-1.741.260 €
-1.826.258 €
-1.826.258 €
Außerordentliches Ergebnis
0 €
0 €
0 €
0 €
Jahresüberschuss
12.826.169 €
39.498.859 €
52.325.028 €
7.036.263 € 
Zinsaufwendungen an die PROKON Genussrechtsgesellschaft
-14.071.798 €
-27.616.895 €
-41.688.693 €
-41.688.693 € 

So weit so gut. Was ich nicht verstehe, wie kann die Einheit Energiesysteme 76 Mio. Euro durch die Entwicklung und Realisierung von Windparkprojekten erwirtschaften und gleichzeitig fallen dafür in der Einheit Windparks keine Kosten an. Die Einheit Energiesysteme ist ein sogenannter konzerninterner Dienstleister und tritt nicht mit Dritten als Kunden in Kontakt. Das heisst, eigentlich müsste Sie in der Konsolidierung gewinnneutral auftreten. Da dies nicht der Fall ist, ist die logische Schlussfolgerung der Umsatz wird in der Einheit Windparks aktiviert, was bei Anlagegütern auch Sinn macht. Das Problem dabei ist, das die Prokon hier eigentlich nur die Herstellkosten/Anschaffungskosten berücksichtigen darf.

Auf Anfrage sagt Prokon, dass die Leistungen zu dritt vergleichbaren Konditionen bilanziert werden, also unter Zuhilfenahme von Marktpreisen. Das wäre ungefähr so wie, wenn ein produzierendes Unternehmen sein Lager auffüllt und diesen Anstieg an fertigen Erzeugnissen mit den späteren Verkaufspreisen als Umsatz verbucht. Nach meiner Meinung ist dieser Ansatz nicht mit der modernen Rechnungslegung vereinbar, die bei selbst hergestellten Wirtschaftsgütern eine Aktivierung nach Herstellkosten in der Bilanz vorsieht oder um bei dem Beispiel Lagerbestand zu bleiben, nach Stückkosten. Diese können aber maximal 49 Mio. Euro betragen (Aufwendungen der Energiesysteme). Hierbei halte ich es jedoch für ausgeschlossen, dass die Werbekosten (für die Flyer, U-Bahn und TV-Beschallung) dazugezählt werden dürfen. Schlussfolgerlich dürften maximal 31 Mio. Euro aktiviert werden.

Reduziert man also die 76 Mio. Euro aus Entwicklung und Realisierung von Windparkprojekten um 45 Mio. Euro auf die 31 Mio. Euro Verkaufserlös, erhält man für Energiesystem ein negativen EBITDA von -3 Mio. Euro und die beiden Geschäftsbereiche zusammen, haben nur noch ein EBITDA von 33 Mio. Euro in den ersten 11 Monaten 2011. Prokon hat mich darauf hingewiesen, dass ich den Umsatzerlös nicht linear fortschreiben kann, da der Monat Dezember ein sehr windintensiver Monat ist. Nach ihren Aussagen betrug der tatsächliche Umsatz von Windenergie 11 Mio. Euro im Dezember 2011 mit linearer Fortführung der anderen Werte errechnet sich eine EBITDA von 42,4 Mio. Euro (2).

Um den Bankzinsen von 6,2 Mio. Euro pa (5,7 Mio. Euro 01-11), den minimal 6%-Genusszins von 28 Mio. Euro pa (Genusskapital 467,4 Mio. Euro*0,06) und die Steuern von 2 Mio. Euro (1,8 Mio. Euro 01-11) zu erwirtschaften, reicht dieser Überschuss aus. Problematisch wird es, wenn wir die Abschreibungen in unsere Kalkulation mit einbeziehen. Um die Darlehen und Genussscheine am Laufzeitende der Windanlagen zurückzahlen zu können, bleiben noch 6,3 Mio. Euro. Diese reichen nicht aus um die derzeitigen Abschreibungen von 19,5 Mio. Euro pa (17,9 Mio. Euro 01-11) zu decken.

Nach meiner Meinung erwirtschaftet Prokon mit ihrem eigentlichem Wirtschaftszweck – dem Verkauf von Strom – nicht genug, um alle derzeitigen Genussscheine einschliesslich Zinsen zurückzuzahlen. Neue Gelder werden für Windparks eingesammelt, dann an die Energiesysteme die Aufträge vergeben, wodurch sich das eingesetzte Kapital bei Energiesysteme in Umsatz und Gewinn wandelt und gleichzeitig bei der Einheit Windparks aktiviert wird – die Kosten werden in die Zukunft verlegt. Mit dem Gewinn in Energiesysteme werden die heutigen Ansprüche der Genussrechtsgesellschafter bedient. Das System bricht dann zusammen, wenn die Höhe der Abschreibungen die der neuen Aufträge von der Einheit Windparks an Energiesysteme übersteigt und die Erlöse in Windparks nicht überproportional zunehmen. Da sich noch viele der Windanlagen im Bau befinden, kommt es wahrscheinlich zu einer starken Zunahme der Erlöse in der Einheit Windparks und man kann darauf hoffen, dass die heute aktivierten Kosten aus der Einheit Energiesysteme gedeckt sind.

Allerdings lässt mich ein weiteres Gedankenexperiment daran zweifeln. Die Erlöse, die in Energiesysteme anfallen, müssen in letzter Konsequenz durch die Windkraftanlagen erwirtschaftet werden. Das heisst, man kann, um die Wirtschaftlichkeit von Prokon zu untersuchen auch nur die realisierten Windparks gesondert betrachten. Wenn man sich die Übersicht zu Investition und Finanzierung der realisierten Windparks unter „Zahlen, Daten Fakten“ ansieht, kommt man zu dem Ergebnis, dass die Gesamtinvestitionen von 591 Mio. Euro mit einem EBITDA der selbigen Anlagen von 46,4 Mio. Euro pa (3) die Genussscheine und Darlehen zzgl. Zinsen nicht in derzeitiger Höhe zurückzahlen können. Die Zinsen der Darlehen betragen 6,2 Mio. Euro pa (5,7 Mio. Euro 01-11), die der Genussscheine für realisierte Windparks betragen 20,2 Mio. Euro pa (337,2 Mio. Euro*0,06). Zusätzlich muss die Investitionssumme (Abschreibungen 23,6 Mio. Euro pa [591 Mio. Euro/25 Jahre]) am Laufzeitende zurückgezahlt werden. Insgesamt errechnen sich also Kosten von 50 Mio. Euro pa. Diese kann Prokon unmöglich mit dem generierten EBITDA von 46,4 Mio. Euro pa bezahlen.

Da Prokon sogar Zinsen zu 8% ausschütten, müssen die Erträge anders generiert werden. Und zwar indem Prokon nach meiner Meinung Kapitaleinlagen durch die Energiesysteme in Erlöse umwandeln, um alle heutigen Genussscheine zu bedienen. Dies geht solange gut, wie Prokon genug neue Anlagen planen und entwicklen kann. Ist das irgendwann nicht mehr der Fall, funktioniert das System nicht mehr. Dies wäre schon jetzt so, wenn die Erlöse in Energiesysteme, wie es gängig ist, nur zu Herstellungskosten aktivieren würden. Dann könnte Prokon keine zusätzlichen Erträge generieren, welche in Zukunft zu höheren Abschreibungen (Kosten) führen. Langfristig müssen die heutigen Erträge aus Energiesystem ein zweites Mal durch tatsächliche Stromverkäufe erwirtschaftet werden. Diese Fähigkeit zweifel ich bei Prokon nach den mir gegebenen Zahlen an.

(1) Der Geschäftsbericht 2010 unter Downloads gibt nicht mehr Auskunft.

(2) EBITDA 01-11 *12/11 + (tatsächlicher Umsatz Windparks – berechneter Umsatz Dez. Windparks) = 33 Mio. Euro*12/11 + (11 Mio. Euro – 50 Mio. Euro/11) = 42,5 Mio. Euro

(3) EBITDA 01-11 *12/11 + (tatsächlicher Umsatz Windparks – berechneter Umsatz Dez. Windparks) = 36,6 Mio. Euro*12/11 + (11 Mio. Euro – 50 Mio. Euro/11) = 42,5 Mio. Euro