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Was ist eigentlich ein Schneeballsystem?

Ich wurde nach der Veröffentlichung meines Artikels über ein Schneeballsystem im letzten Monat darauf aufmerksam gemacht, dass in ihm teilweise die Darstellung von Fakten zur Taterfüllung „Schneeballsystem und/oder Ponzi-Scheme“ fehlen. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist es gängig den Begriff „Schneeballsystem“ für ein Vertriebssystem zu nutzen, das darauf beruht, in erster Linie neue Mitglieder oder Investoren für das System anzuwerben. Nicht der Verkauf von Produkten oder Dienstleistung steht im Mittelpunkt, sondern der Vertrieb selbst. Dabei wird der Begriff als Sammelbecken genutzt, um pyramidenartigen Vertriebssystemen mit illegalem Charakter zu beschreiben.

Rechtliche Abgrenzung

Neben dieser gängigen Bedeutung gibt es auch eine rechtliche Abgrenzung, die den allgemeinen Sprachgebrauch widerspiegelt. In Deutschland im § 16 Abs. 2 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu finden:

 „Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, Verbraucher zur Abnahme von Waren, Dienstleistungen oder Rechten durch das Versprechen zu veranlassen, sie würden entweder vom Veranstalter selbst oder von einem Dritten besondere Vorteile erlangen, wenn sie andere zum Abschluss gleichartiger Geschäfte veranlassen, die ihrerseits nach der Art dieser Werbung derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer erlangen sollen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Schneeballsystem vs. MLM

Abgesehen von dieser Bedeutung gibt es auch eine eingeschränkte Beschreibung, welche ich hier kurz behandeln möchte: das Schneeballsystem in Abgrenzung zu Multilevel-Marketing (kurz MLM), Network-Marketing und Strukturvertrieb, da diese gerne genommen werden um Schneeballsystem als legal darzustellen. In dieser eingeschränkten Beschreibung wird ein Schneeballsystem gleichgesetzt mit einem Vertriebssystem bei dem kein oder kaum Geschäft vorliegt, sondern nur oder überwiegend ein Vertriebssystem.

Ein MLM ist dagegen ein Geschäft, bei dem ein Grossteil des Deckungsbeitrags in einen sehr vertikal ausgerichteten Vertrieb mit vielen Ebenen fliesst. Während jedes Geschäft bei dem keine Dienstleistung erbracht wird oder bei dem kein Produkt verkauft wird ein illegales Schneeballsystem darstellt, können Vertriebssysteme bei denen Produkte oder Dienstleistungen verkauft werden Schneeballsysteme sein oder nicht. Dies hängt vom Grad ab, wieviel Aufwand für Vertriebsmitgliederwerbung zur tatsächlichen Kundengewinnung betrieben wird. Oder anders ausgedrückt, liegt der Fokus auf der Gewinnung von Vertriebsmitgliedern oder Kunden.

Der rosa Elefant

Übrigens hierzu eine interessante Frage: Kann man beweisen, ob es in einem MLM kein Geschäft gibt oder nicht? Die Problematik ist hier eine Negativaussage zu widerlegen. Dies ist unmöglich. Einfaches Beispiel: „Es gibt keine fliegenden rosa Elefanten.“ Diese Aussage kann man nicht als 100% wahr beschreiben. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass es sie gibt, aber nicht ausgeschlossen.

Das gleiche gilt auch für die Aussage: „Diese Vertriebsstruktur hat kein Geschäft, welches diese Renditen ermöglicht.“ Es ist unmöglich dies mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit zu sagen. Aber: Wenn man auch auf Nachfrage keine plausiblen Zahlen präsentiert bekommt, geschweige denn überhaupt ein Geschäft, dann ist es sehr unwahrscheinlich, dass es dieses gibt. Ein Geschäft sollte sehr einfach beschrieben werden können.

Was ist ein MLM?

Aber zurück zu der Unterscheidung Mulitlevel-Marketing (MLM) zu Schneeballsystem oder gibt es ein Geschäft hinter dem Vertrieb? Beim MLM ist dies zu bestätigen. Tupperware, Thermomix,  Herbalife, Swiss Life Select (ehemals AWD), Deutsche Vermögensberatung, oder ähnliche Geschäfte sind MLMs, die legal sind und Produkten, wie Aufbewahrungsboxen, Küchengeräte, Nahrungsergänzungsmittel, Versicherungen oder Vermögensdienstleistungen über eine Strukturvertrieb verkaufen.

Allen gemein ist, dass die Produkte relativ teuer sind. Unter anderem weil der Vertrieb relativ teuer ist. Während man beim Direktvertrieb oder über den Einzelhandel normalerweise 1-2  Parteien bezahlen muss (Grosshandel und Handel/Handelsvertreter), gibt es z.B. bei Herbalife 8-10 Ebenen (Distributor, Success Builder, Supervisor, World Team, GET Team, Millionair Team, President Team, Chairman’s Club), die alle bezahlt werden müssen. Dies macht die Produkte entsprechend teuer.

Die Rendite von Hebalife Inc. für den Aktionär, also für das Unternehmen, ist trotz der teuren Produkte übrigens nicht besser als bei Firmen mit vergleichbaren günstigeren Produkten und ohne Strukturvertrieb, wie z.B. Glanbia plc. Ein Grund, warum ich als Value Investor solche Güter oder Dienstleistung ungerne in Anspruch nehme und auch lieber in Unternehmen ohne Strukturvertrieb investiere.

Aber das Geschäft ist legal, weil in letzter Konsequenz Produkte oder Dienstleistungen an Konsumenten verkauft werden. Illegal wäre ein solcher Vertrieb in dem Moment, indem es in erster Linie darum ginge neue Vertreter anzuwerben, anstatt tatsächliche Kunden für die Produkte zu finden. Gibt es diese Produkte oder Dienstleistung hinter dem MLM nicht, ist es ein illegales Schneeballsystem.

Besonderheit Ponzi-Scheme

Eine Besonderheit nimmt hierbei das Ponzi-Scheme ein. Hierbei steht auch der Vertrieb mit Versprechen von hohen Renditen im Mittelpunkt ohne dass tatsächlich Investiert wird. Möchte jemand ausgezahlt werden, wird er mit den Geldern von anderen Kunden bezahlt. Oft aber nicht immer wird ein Ponzi-Scheme mit einer pyramidenartigen Vertriebsstruktur unterlegt. Trotzdem ist es gängig im deutschen Sprachgebrauch auch hier von einem Schneeballsystem zu sprechen, da sowohl die reine Vertriebsstruktur ohne Geschäft, als auch das Ponzi-Scheme ohne Investment von einer exponentielle Anzahl steigender Mitglieder lebt. Stockt die Akquise von Neumitgliedern bricht das System zusammen.

Ich hoffe der Artikel hilft ein wenig weiter bei der Einordnung des Themas. Schreibt mir gerne eure Kommentare, was für euch Schneeballsysteme sind und was sie ausmachen?